Ludens, Wette - Kopf oder Zahl Spiel
von Jean Sorrente
Um so ein vielseitiges Werk wie das von Ludens zu beschreiben, lohnt es sich die Eintrittspunkte zu multiplizieren, wie ein kubistisches Objekt von dem man alle Perspektiven gleichzeitig erfassen kann. Es ist die Gelegenheit nicht die ungeraden und unähnlichen zu mitteln, sondern diese als Ereignisse des gleichen Prinzips hervorzuheben, das einerseits die Materialisierung einer Gestalt regelt und anderseits einen gegebenen historischen Moment verfolgt. Das heisst, bei diesem Künstler ist die plastische Erfindung verbunden mit einer kritischen oder sogar politischen Verschmelzung. Malerei, Bildhauerei, Schreiben, Regieführung, Konzerte, Veranstaltungen, Inneneinrichtungen, alles entstammt der gleichen Logik. Eine wunderbare Allegorie resümiert: der Bau der 'Arche der Diversität' für den Karneval der Kulturen 1998; zur gleichen Zeit schneidet das charakterisierende Schiff durch die Geschichte, biblische Verheissung der Erlösung und Wiedergeburt und beide das phallische und uterine Symbol drücken den menschlichen Zustand und ihren Unterschied aus. Diese Arche ähnelt der Basisaussage von Francis Ponge, welcher es gelingt durch Aufnehmen und kondensieren der Mannigfaltigkeiten von Bedeutungen ihre tiefe Poesie auszudrucken, eine Poesie erlebt als Bereitstellung und Neuschöpfung. Was diese Poesie zeigt, ist eine Beteiligung am Rhythmus der Welt und diese definiert am besten den Ansatz des Künstlers. Das ist nicht vordringlich und selbstverständlich.
Da ist zunächst das, was Camus den Moment der Revolte nennt, die Geburt des Bewusstseins. Wir wissen, was es bedeutet, in einer 'Volks-Demokratie' als Kosmopolit gebrandmarkt zu sein, ein Dissident und unverlässliches Element. All diese Bezeichnungen sind Verurteilungen wenn nicht schon Einsperrungen, zumindest zur Stille und Verzweiflung. Das ist Ludens passiert: Frühe Jugend In West-Deutschland, Rücksendung nach Jugoslawien; Militär Dienst; das frühe Experimentieren; und das schicksalhafte Jahr 1986 als er erfuhr das der Geheimdienst sein Dossier angelegt hat, entschloss er sich Belgrad zu verlassen für ein längeres Drangsal durch Europa bevor er sich in Luxemburg niedergelassen hat. Er ist vierundzwanzig Jahre alt als die Ausbildung im Erleben des sozialistischen Realismus endet. Dieser Prozess wird im Denken des Künstlers herumgeistern, etwas das im Kontext der Kunst am Ende des Jahrhunderts nicht die wenigste von den Sehenswürdigkeiten dieser Kunst ist. Dies kann mit dem Satz von Martin Heidegger beschrieben werden: "Das Wesen der Wahrheit ist die Freiheit". Demnach zu arbeiten, bedeutet für Ludens, die Gültigkeit dieses Satzes zu untersuchen.
Um eine Perspektive einzubringen, manche erinnern sich an Otto Mühl und die Wiener Aktionisten der 1960 Jahre, eine bewusst provokative extremistische und politisch-künstlerische Richtung, spezialisiert auf den körperlichen Ausdruck, mit allen was in Sackgassen endet und zu billiger Demagogie führt. Dennoch hat Performance als Kunstform anderen, den konsequenteren Künstlern ermöglicht eine kritische und ethische Berufung zu entdecken. Und es ist diese Berufung, die Kunst von Ästhetik und Eklektizismus zu befreien, die Ludens für sich in Anspruch nimmt. Die gleiche Fragestellung kommt zum Wirken bei so unterschiedlichen Ausdrucksformen wie Performance, Aktionsmalerei, Malerei oder Bildhauerei. Zu schaffen bedeutet nicht, sich im Elfenbeinturm zu verschanzen, es ist das direkte Einwirken auf die Realitäten oder sie zumindest zu situieren.
Ästhetisch gesehen ist es hilfreich über Picassos Lehre nachzusinnen, dass er gemalt, geformt, modelliert, und Innenraume zeichnete um zur manifestierten Form zu gelangen. Zu jeder Figur, zu jeder Darstellung, ihrer plastischen Definition. Rundheit um den Charakter dieses spezifischen Tieres auszudrücken, ein Quadrat um jenes Gesicht zu bezeichnen, einfache Vertikalen für ein Element dieser Landschaft. Der Grundsinn, sagt Leo Steinberg: "Alles im gleichen Stil zu zeichnen, würde bedeuten, zuzugeben das wir ausserhalb sind." das gibt der formalen Vielfalt von Picassos Arbeit Kontinuität. Ludens vereinfacht diesen Diskurs. Die Basisnote, die alle anderen determiniert, ist das feminine und das maskuline Prinzip; ein Zufall von Ähnlichkeit/Gegensatz wie im Beispiel von Yin und Yang umfasst den Bereich von Dichotomien, Antinomien und Komplementaritäten (wie bei der Skulptur: rund und eckig, weich und hart, glatt und rau, in Performanzen Konzept und Improvisation, oder der Malerei und Einrichtung/Installation, das Innen und Aussen). Das Ganze in einer dialektischen Beziehung, die nicht die Unterschiede beseitigt, sondern diese und ihre Spannung ausdrückt.
Es ist essenziell zu verstehen das bei Ludens eine Darstellung eines Körpers auch einen historischen Moment, ein Ereignis in einer Gesellschaft zeigt. Weiterhin müssen wir annehmen, dass das Publikum es sein wird das die sexuelle Natur der Repräsentation untersuchen, annehmen und die Erfahrung vereinnahmen wird. Eine Erfahrung vom qualitativen Unterschied, nicht vom Konzept. Ludens projiziert nicht seine Phantasien in seinen Darstellungen, es sind die Körper, Zeit und Gesellschaft die Ihre eigene metaphorische Dimension erzeugen und sie tun dieses in dem Maß, in dem sie davon erfüllt und hingerissen sind.
Das ist dass Bindeglied zwischen Malerei, Bildhauerei, dem Schreiben, Performance und den Installationen; nur die Wiedergabe variiert. Die Kontinuität stellt sich ein zwischen dem Hinterfragen des weiblichen Körpers in der Skulptur (wie bei seinen wundervollen Kupferplatten Skulpturen) und der Kreuzigung in der Performance 'Auf's Kreuz' (von 1989 in der Pop-Tragödie 'Ana Marijuana'). Das ist besorgniserregend, provokant und weit vom Kitsch einer Bettina Rheims, um ein Beispiel zu nennen. Die gleiche Kontinuität zeigt sich zwischen dem Körper der im Fruchtwasser der Malerei schwimmt oder bei einer Tür-Glasmalerei durchstrahlt wird. Wieder ähnlich zwischen den Realitäten von zwei Körpern und der fragmentierten und hochstilisierten Darstellung des weiblichen Geschlechts.
Diese Arbeit, eine Verlagerung von der Repräsentation zur Präsantation verändert unsere Wahrnehmung des Körpers über Zeit und Distanz. Das ist die bemerkenswerte Leistung von Ludens' Arbeit. Indem er das tut, vermeidet diese Kunst die Untiefen des Pathos, melancholischen Nihilismus oder missionarische Ideologie. Da ist ein unauslöschlicher Optimismus der diese Arbeit antreibt, ein Wille zu der Welt zu gehören, eine freudige Bejahung des Seins und des Vorhandenen. Das Ganze ist im Namen des Künstlers vereint, Ludens: Er der verspielte, der damit spielt, der Widersprüche auslöst, sie überwindet und sich von Ihren Einschränkungen befreit.
Dieses Spiel der Kunst und diese Kunst des Spiels, das aus dem Inneren die Körper und die Welt in ihrer Faktualität ausdrückt, haben deswegen eine ethische Bedeutung, weil die vom Künstler behandelten Disziplinen erscheinen wie die vielen Facetten oder Spiegel der selben prismatischen Realität: das Individuum in seiner Menschlichkeit, dem Appetit auf Glück und Erfüllung, dem Willen nach Emanzipation und Freiheit und im selben Moment dem freudigen Selbst-Jubel, der Besorgnis im Sinne von Lévinas 'von den Anderen'.
Hier, um einen Umkehrschluss zu kristallisieren, die gleiche Besorgnis: 'Helden', eine monumentale komplexe Installation präsentiert acht Variationen der heroischen Illusion. In der Mitte ein Betonkubus, rundum Würmer aus Gips, Würfel, Kopfsteinpflaster, ein Tarn-Netz überdeckt das Ganze. Der Würfel ist grau, stellenweise weiß mit Namen und Symbolen bedeckt. Variation Nr. 6 präsentiert eine Montage aus geschnittenen Ölbildern die der Betrachter neu zusammenstellen kann, jede Variation erfindet ihr eigenes Heldentum abhängig seinem Verständnis der Geschichte. Heldentum erscheint da als ideologische launenhafte Unberechenbarkeit, der Gipfel der Knechtschaft. Wie viele ermordete Unschuldige, wie viele Despoten die vom Mantel des Heldentums 'geheiligt'? Wie kann man treffender die Wirrungen der Geschichte enttarnen, den Betrachter sensibilisieren zur Logik dieser Verwirrung. Das ist der Einsatz beim Kopf oder Zahl Spiel dieser Installation. Dies, ein proteiformes vielfältiges Werk, verstanden als Ganzes, das spielen auf der Kette der Kontiguität und Assoziation, ethische und politische Hinterfragung. Das ist die Ausnahme, die Ludens verkörpert. Interessant umso mehr, weil die zeitgenössische Kunst wenige Beispiele einer so konsequenten und aufwendigen Recherche bietet. Um sich zu vergewissern, muss man sich nur die unveränderlichen Solipsismen und die künstlerische Aphasie von heute ansehen. Dies ist der Moment wo Pascals Wette 'Kopf oder Zahl' eine neue Bedeutung bekommt: zu wetten, Wiedersprüche zu forcieren, alle daran erinnern, das Kunst als allererstes eine Anfechtung durch die Tat ist.
Der unter dem Pseudonym Jean Sorrente bekannte belgisch/luxemburgische Schriftsteller, Kunst und Literaturkritiker Jean-Claude Asselborn ist der Verfasser mehrerer Romane, Kritiken und Kunstbücher. Anfangs arbeitete er auch unter den Pseudonymen Alphonse Maintes, C. Malans oder Claude Méréan. Er verfasst seine Werke in französischer Sprache und lehrt Französisch am Athénée de Luxembourg.
Er erhielt im Jahre 1993 für 'Nuits' den 'Prix Tony Bourg', 1998 für 'Le Vol de l'aube' sowie für sein Gesamtwerk den 'Prix de la Libre Académie de Belgique' und 2003 den 'Prix Servais' für 'Et donc tout un roman'. Darüber hinaus ist Asselborn seit 1998 Mitglied der „Libre Académie de Belgique“.
Ludens Anamorphosen
von Jean Sorrente
Ein Kraftwerk. Im Hintergrund das UN-Gebäude. Im Gegenlicht abgelichtet erinnert die Fabrik an eine Moschee. Zum Beispiel an die Hagia Sophia mit Ihren charakteristischen Minaretten. Echos von 'Eine Saison in der Hölle' in der sich Rimbaud in eine 'ordinäre Halluzination' steigert und sieht einfach eine Moschee an der Stelle einer Fabrik. Und wirklich, da steht geschrieben 'Kraftwerk' gefolgt von ' Die Moschee von Sheich Sam' (Orig. Power Station followed by The mosque of Sheik Sam) das zweite Foto zeigt Toiletten-Becken mit dem Titel 'Diplomatische Scheisse Esser' (Orig. A.K.A. Diplomatic Shit Eater) Da ist auch eins als UN Schriftlogo 'UNOWC' (Die Aufnahmen sind in den WC's des UN Gebäude in New York entstanden) Ohne Zweifel, eine Gelegenheit für einen Rückschluss auf Marcel Duchamp und, um den Horror der Technologie zu stigmatisieren, sein Urinal von 1917.
Weiterhin, Wir glauben an 'Gott-Der Wachturm', Foto vom Hauptquartier der Zeugen Jehovas in New York 'Lese Gottes Wort die Heilige Bibel täglich' gekontert mit 'Just Doolittle it, im Zentralen Parking System' von einer Tierdressur bis zum buchhalterischen Wert des Dollar ist es nur einen Schritt entfernt. Das ist der Grund warum man schmunzeln kann bei dem juxtaposen Foto das in Griechisch fordert 'Gib mir all dein Geld'. Es ist wahr, in diesen Zeiten sind Pardons unbezahlbar. Schliesslich 'Du kannst deinen eigenen Weg gehen', den Mittelweg, nicht den von Lao Tze, spät nachts abgestützt auf Krücken.
Das gibt Ihnen eine Geschichte, ein narratives Bild. Natürlich sind die Aufnahmen fotographisch repräsentativ. Aber die beigefügten Titel fokussieren die Bedeutung als Legenda - Passagen, um gelesen zu werden was einer in Ihnen lesen soll, wenn er es nicht sieht. Die fotographische Aufnahme ist nicht immun, Geschehnisse zu qualifizieren. Wieder Rimbaud 'Ich erklärte meine magischen Sophismen mit der Halluzination von Worten'.
Was ist die Bedeutung, die man diesen Verzerrungen, Anamorphosen geben soll? Man kann an die Erklärungen der Verzerrungen der Perspektive von Jurgis Baltrusaits denken: Lockvögel, Trompe-l'oeil, den Austausch zwischen Objekt und Subjekt, Bedeutung und Bild, die niemals vertauschen, es sei denn, durch Missverständnisse.
Und wenn das Bild repräsentiert, es problematisiert die Darstellung in der gleichen Art wie die Legende den Empfänger herausfordert es als Cliché, Sprichwort oder Maxime zu lesen. Dies ist um die Beziehung zu zeigen, welche immer eine symbiotische ist, zwischen Bedeutung und Bild. Es ist auch das Kultivieren der Zweideutigkeit, um die Entthronung des Symbols hervorzuheben durch eine neue rhetorische Erfindung. Dies erfolgt durch Freudsche Schritte der Verschiebung und Kondensation, oder wenn Sie es wünschen, von Metapher und Metonymie.
Das sichtbare Bild wird kodiert und die Interpretation betont die Abkopplung, der Raum zwischen den Atomen aus einer anscheinend soliden und abhängigen Repräsentation.
Die Zweideutigkeit beschleunigt den gleitenden Wechsel von der Metapher zur Bildsprache, das Objekt der Begierde, wie fotografiert, offenbart die Unterdrückung dieser Begierde. Und Repression ist immer sexuell.
Aber hier findet alles in einem parodistischen Modus statt und dies ist das Brechen von Tabus, nicht die Reaktion. Sie werden ins Spiel gebracht, das Spiel im Spiel zwischen dem, was zu sehen ist und dem, was gesagt wird. Und wenn man sich daran erinnert, dass der Künstler-Fotograf Ludens genannt wird, versteht man die spielerische Dimension der ästhetischen, politischen und ideologischen Widersprüche.
Wie Baltrusaitis schrieb: "Anamorphose ist nicht eine Verirrung, wobei die Realität durch das geistige Auge unterjocht wird. Es ist ein optischer Trick, wo das Scheinbare das Reale überschattet. "Mit Ludens, ist diese Finsternis statt einer Verhüllung eine Enthüllung. Die Ideologie in jedem Bild ausgelöst, hindert die Realität nicht einzudringen als ein ironisches Spiegelbild.